19 Periode stammt die größte Anzahl an Kartengrüßen –, brachten die besonderen Umstände im Ersten Weltkrieg eine Hinwendung zu neuen Themen, überwiegend im Medium des Holzschnitts. In den frühen 1920er-Jahren beherrschten dann Heckels rege Reisetätigkeit wie auch die häufigen Aufenthalte in seinem Sommerdomizil an der Flensburger Förde die Motive. Ab dieser Zeit wurden die Texte ausführlicher, da Siddi mehr und mehr das Schreiben übernahm, insgesamt ging die Postkartenproduktion zurück und versiegte Ende der 1920er-Jahre nahezu. In den folgenden Jahrzehnten wandte sich Heckel nur noch ganz vereinzelt dem Medium der Postkarte zu. Bildeten in den frühen Jahren die Faktoren von Malen, Schreiben und Versenden an eine bestimmte Person eine dichte zeitliche Einheit, so veränderte sich dieser Prozess später: Motive wurden auch »auf Vorrat« geschaffen und mit zeitlichem Abstand versandt oder verblieben unbeschrieben im Besitz des Künstlers. Im Kreis der »Brücke« Wie seine Kollegen Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Otto Mueller schätzte Heckel den neuen, zeitgemäßen Kommunikationsweg der Postkarte; mit unterschiedlichen Höhepunkten und Gewichtungen nutzte er das Medium über sechs Jahrzehnte. Die größte Dichte und Intensität sind in seiner frühen Schaffensphase zwischen 1909 und 1913 zu beobachten. Aufgrund ihres spezifischen Charakters entsprach die Postkarte in idealer Weise dem spontanen Ausdrucksdrang; sämtliche Malerfreunde nutzten dieses Mittel des direkten Austauschs, von allen haben sich zahlreiche Postkarten erhalten und sind wesentlicher Teil ihres Wirkens.5 Heckels früheste bekannte Postkarte mit bildlicher Darstellung stammt vom 17. Mai 1907 (S. 26) und war an Cuno Amiet gerichtet, seit 1906 Mitglied der »Brücke«. Diese Karte mit eher brieflichem Charakter und eingefügter Skizze sowie gedichtartigen Verszeilen bezeugte Heckels literarische Neigungen in den Jugendjahren. Mit den zahlreichen Postkarten von 1909 setzte, nach heutiger Kenntnis, das eigentliche Schaffen in diesem Medium ein. Aus diesem Jahr sind 23 Karten bekannt, die Mehrzahl davon an die befreundete Kunsthistorikerin Rosa Schapire in Hamburg, der im Zusammenhang mit den frühen Kartengrüßen der »Brücke« eine bedeutende Rolle als engagierte Förderin zukommt.6 Mit der äußerst knappen Formel »Brücke gratuliert« und dem sinnbildlich gemeinten wie karikaturhaft überspitzten Motiv der vier Freunde auf einem Brückenbogen sandten Heckel und Schmidt-Rottluff am 9. September Grüße zu ihrem 35. Geburtstag. In der schlagkräftigen Kombination von Bild und Wort offenbart sich hier besonders eindrücklich der Aufbruchsgeist der jungen Kunstrebellen. Ebenso ging im September 1909 eine der frühesten Karten Heckels – eine lebhafte Reiterszene am Strand von Dangast – an den Hamburger Landgerichtsdirektor Gustav Schiefler und markierte den Auftakt der intensiven, lebenslangen Korrespondenz mit dem Mentor und Grafik-Sammler.7 2 Vgl. Robert Lebeck und Gerhard Kaufmann: Viele Grüße, Eine Kulturgeschichte der Postkarte, Dortmund 1985, S. 404. 3 Vgl. Janina Dahlmanns: »Besten Gruß …«, Künstlerpostkarten der »Brücke«, in: Ausst.-Kat. BrückeMuseum Berlin 2012, S. 8–32. 4 Vgl. Bärbel Hedinger: Künstler, Post, Karte – Eine Einleitung, in: Diess. (Hg.): Die Künstlerpostkarte, Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1992, S. 9–18. 5 Vgl. dazu ausführlich Ausst.-Kat. Expressionistische Grüße, Brücke-Museum Berlin 1991. 6 Vgl. Gerd Presler: »Brücke« an Dr. Rosa Schapire, Städtische Kunsthalle Mannheim/Elztal- Dallau 1990. 7 Vgl. Gerhard Schack (Hg.): Postkarten an Gustav Schiefler, Hamburg 1976. Reiter am Strand, 1909
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