92 Carel Fabritius (1622–1654) Die Torwache, 1654 Öl auf Leinwand, 67,5 × 58 cm Inv.-Nr. G 2477 Die Aufhellung, die komplexe Raumsituation sowie die Behandlung der Farbe, sowohl in ihren reichen Lichtwerten als auch in ihrer plastischen Struktur, finden sich später auch bei anderen Meistern der Delfter Schule, vor allem bei Johannes Vermeer. Die Torwache gilt – neben dem Distelfink – als das schönste und berühmteste Gemälde von Carel Fabritius. Es ist wohl sein geheimnisvollstes. Ein dösender Soldat könnte ein Bild des Friedens sein – doch schleicht nicht jemand hinter dem Tor vorbei? Viele, wenn nicht sogar alle Fragen an das Bild bleiben unbeantwortet: Warum steht vor dem Tor eine Säule, dahinter eine Mauer? Wohin führt die Treppe ins Dunkle? Weshalb wird ein Tor bewacht, das mitten in der Stadt ist? Und warum verweigert der Maler uns sämtliche menschlichen Gesichter, selbst das der Figur auf dem Relief? Die Probleme der Größenverhältnisse und der Perspektive sind so verzwickt, dass in dem Werk geradezu ein kunsttheoretisches Manifest vermutet worden ist, ein Plädoyer für die Autonomie des Kunstwerkes. Die Welt sollte es nie erfahren, denn der Maler starb, nur 32 Jahre alt, im Entstehungsjahr des Gemäldes. Die Explosion eines Pulverlagers zerstörte sein Haus und ein Drittel der Stadt Delft. _GS
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