87 Erste Erfolge in der Genremalerei die blau gewandeten Figuren harmonisch in den Rotton der Stube ein. Einzelne Akzentfarben wie das dunkle Grün im Hocker unter dem Trog und dem Henkeltopf darüber sorgen für die farbliche Abrundung. Fischerkneipe Corinth war durch seine eigene Herkunft dem einfachen Landleben zugetan. So hatte er schon 1879 während seiner Königsberger Studienzeit einen Sommer in dem Fischerdorf Buxtehude auf der Frischen Nehrung verbracht (Kat. 65).7 »Lebensgierig war Corinth, und diese Lebensgier war in den kühlen Gipssälen der Akademie nicht zu befriedigen. Er zog mit einem anderen Maler hinaus nach der Nehrung und lebte in einem Fischerdorf das starke Dasein der Seebewohner. Aber nicht die unendliche melancholische Fläche des Meeres war es, die er erspähen wollte, nicht die Türmungen der Wolken am immer veränderten Himmel dieses Striches, sondern die Menschen. [...] Ihr Wesen war dem seinen nicht so fern. Die Verständigung im Platt war einfach, ihr Herz durch mächtige Lagen Schnäpse bald gewonnen. Einen ganzen Sommer brachte er bei ihnen zu. Die Ausbeute war, nach Studienblättern gerechnet, nicht eben groß, doch an Kenntnis vom Wesen der Menschen.«8 In seinen Legenden aus dem Künstlerleben erzählte Corinth launig von einem spannungsvoll erwarteten Ereignis, dem Anliefern eines Stiers vom Festland über die Nehrung. Es wurden »auf seine Kosten allerhand Witze gerissen. Namentlich führten die beiden Maler, Wilhelm Hempel und Heinrich Stiemer, sehr zweideutig die Beschäftigung an, die er hier vollbringen sollte, was ein Quieken und Johlen bei den Frauen und Mädchen veranlaßte.« Ansonsten ging man »den gewohnten Beschäftigungen nach. Die beiden Maler spielten auf zwei Schnäpse eine Partie Sechsundsechzig, der Krugwirt Dahms erzählte von den Abenteuern des Transportes.«9 Corinths Zeichnung Fischerkneipe auf der Nehrung (Kat. 66) wirkt dazu laut Rohde wie »eine nicht zu übertreffende Illustration«.10 5 BC 41. 6 Charlotte BerendCorinth, Vorarbeiten für das Werkverzeichnis der Gemälde von Lovis Corinth (vgl. Berend-Corinth 1958/ 1992), Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München, Photothek, Bildarchiv Bruckmann, WVZ Corinth (BC 41). Vgl. zum Verein »Nasser Lappen« Schnackenburg 1977, S. 161. 7 Vgl. Best.-Kat. Regensburg 2025, Skizzenbuch II. 8 Kuhn 1925, S. 30 f., Abb. 6, S. 27. 9 Corinth 1918, S. 32–49. 10 Rohde 1941, S. 81 und Abb. 7. Kat. 65 Lovis Corinth Skizzenbuch II (B 15 r) um 1879, Bleistift, 18,8 × 27,4 cm (Blatt) Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Inv.-Nr. 18976 Kat. 66 Lovis Corinth Fischerkneipe auf der Nehrung 1879, Pinsel und Feder in brauner Tusche, laviert über Bleistift, 20,0 × 26,7 cm Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Inv.-Nr. 14666
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