298 298 Skizzen-Album 1873–1889 Inv.-Nr. 17837–17868 1989 erworben von Wilhelmine CorinthKlopfer, New York Vorbesitzerin: Charlotte Berend-Corinth, Zürich 35,0 × 54,5 × 2,4 cm (gesamt) 33,4 × 53,2 cm (Blatt) Halbledereinband, Graupappe mit schwarz-grün marmoriertem Papier bezogen, Rücken und Ecken aus schwarzem Leder, vorn mittig aufgeklebtes Etikett, Fadenheftung in vier Lagen auf drei Heftbänder. Wegen des großen Formats bestehen die Lagen nicht aus vollständigen Doppelblättern, sondern aus aneinandergeklebten Einzelblättern. Zur Verstärkung sind nach jeweils zwei Blättern drei bis sechs Papierstreifen eingebunden. Im Buch erhalten sind 20 Blatt. Außerdem sind 10 Fragmente zu erkennen, wobei die verlorenen Blätter bei der Zählung im Gegensatz zu den Skizzenbüchern I bis XII in diesem Fall nicht berücksichtigt werden. Obwohl es sich auch bei dem 1989 erworbenen »Heiligtum« der Familie Corinth um ein Buch handelt, das Skizzen enthält, kann es dennoch nicht als ein Skizzenbuch im engeren Sinne bezeichnet werden. Wie ein Sammler der Frühen Neuzeit legte Lovis Corinth es nämlich als eine Art Klebeband an, wobei er auf den großformatigen Seiten zum Teil mehrere seiner frühen Skizzenblätter präsentierte. Die eingeklebten Darstellungen ergänzte er mit schriftlichen Notizen, sodass sich anhand von Datierungen, Namen von Dargestellten und Entstehungskontexten ein überwiegend chronologischer Überblick über Corinths künstlerische Entwicklung von 1873 bis 1889 gewinnen lässt.1 Entscheidend ist allerdings, dass bei der Zusammenstellung der Blätter nicht deren kunstimmanente Bedeutung (also etwa ihre Funktion als Vorstudien zu wichtigen Projekten des Malers) im Vordergrund stand, sondern deren Aussagekraft im Hinblick auf Corinths (Auto-)Biografie und Familiengeschichte. In diesem Zusammenhang erscheint eine andernfalls leicht zu übersehende Korrektur von Interesse, die der Künstler bei der Beschriftung eines der zahlreich enthaltenen Porträts vorgenommen hat. So notierte er darüber zunächst »Selbstkarrikatur [sic] meines Lehrers / Prof. Otto Günther«, bevor er – offenbar die ungewohnte Rolle als Kurator des Albums reflektierend – im Wort »meines« ein »s« über das »m« setzte.2 Die distanziertere Position, die an dieser Stelle in der bewussten Wahl der dritten Person zum Ausdruck kommt, scheint auf einen anonymen Adressatenkreis Rücksicht zu nehmen, der über die eigene Person und die Familie – und damit letzten Endes auch über die eigene Lebenszeit – hinausweist.3 Dennoch kann angesichts des Inhalts nicht infrage gestellt werden, dass sich der Künstler mit dem Album zunächst ein privates Erinnerungsobjekt geschaffen hat, das für ihn selbst wie für den Kreis seiner engsten Familienmitglieder einen enormen ideellen Wert darstellen sollte.4 Diese Wertschätzung innerhalb der Familie wird greifbar anhand eines kurzen Briefes (Abb. 1), mit dem Charlotte Berend-Corinth das »Heiligtum« ihres zehn Jahre zuvor verstorbenen Mannes an die nächste Generation weiterreichte: »Zürich 3. April 1935 / Dieses Buch enthält / die treue Kinder Liebe / Eures großen Vater[s] Lovis. / Es wird Euch stets ein / Heiligtum sein. – Eure Mutter.« Dieser Text, der auf Corinths Liebe zu seinem Vater anspielt, die sich gerade in dessen letzten, auf dem Sterbebett gezeichneten Porträtstudien manifestiert, war einst als eine Widmung an die gemeinsamen Kinder, Thomas und Wilhelmine, in dem Band eingeklebt.5 Ergänzend dazu verfasste Wilhelmine Corinth-Klopfer anlässlich der VeräußeAbb. 1 Charlotte Berend-Corinth Widmung des Skizzen-Albums an ihre Kinder 3. 4. 1935; Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, zu Inv.-Nr. 17837–17868
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